Wir schreiben das Jahr 2016. Ich habe vor 3 Monaten meine Tochter geboren, mein „Großer“ ist knapp 2. Ich stehe in unserer Wohnung und heule.
Es ist eine schöne Wohnung! Erdgeschoss, großer Garten direkt dran. Wir haben keine finanziellen Sorgen und die Großeltern wohnen in der Nähe. Ich denke, ich müsste eigentlich glücklich sein. Bin ich aber nicht.
Ich bin k.o. und kraftlos. Ich weiß nicht, wie ich den Tag überstehen soll, sobald mein Mann zu seiner Arbeit aufgebrochen ist. Ich schleppe mich durch den Tag, von Mahlzeit zu Mahlzeit, langweile mich und hoffe auf eine Mittagspause, die meistens nicht stattfindet, weil mindestens ein Kind immer wach ist.
Ich versuche mich mit meinen Kindern zu beschäftigen. Ich wollte sie ja! Jetzt sind sie da und ich bin genervt. Ich stille die Kleine, der Große will auf den Arm und weint. Ich kann mich nur neben ihn setzen und ihm so Nähe geben. „Es reicht nicht.“ schießt mir durch den Kopf. Ich fühle mich leer. Ich wünsche mir so sehr eine gute Mutter zu sein und kann es nicht. Später am Nachmittag, wenn ich noch müder bin, kommt es soweit, dass ich den kleinen Großen fest am Arm packe und ihn anschreie. Ich fühle mich hilflos und fühle mich wie die beschissenste Mama der Welt.
Zu allem Überfluss habe ich auch noch vor Kurzem herausgefunden, dass ich meine Arbeit als Lehrerin nicht mehr machen kann. Jetzt kommen ständig Gedanken wie „Aber was soll ich denn sonst machen? Ich kann ja nur Lehrerin.“ Ich fühle mich gefangen, stecke fest, weiß nicht weiter. Ich will so gerne zum Familieneinkommen beitragen – doch in dieser Situation fehlen mir die Ideen und das Selbstvertrauen.
Der Funke
Kurz zuvor hatte ich zum ersten Mal vom „freien Lernen“ gehört und dieser Moment war so eindringlich als hätte jemand ein Feuer in mir angezündet. Es machte sofort klick, denn Freilernen war für mich die logische Fortsetzung aus selbstbestimmter Geburt, intuitivem Stillen, Tragen, Windelfrei und überhaupt Bedürfnisorientierung. Wenn unsere Kinder in den ersten 6 Jahren ihres Lebens für sich selbst und ihre Bedürfnisse die Experten sind, sind sie es auch danach!
Das war vor vier Jahren eine bahnbrechende Erkenntnis für mich. Und es stürzte mich in eine Krise, weil ich erkannte und spürte, dass mir dieses Zutrauen in die Expertise für mich selbst nie wirklich entgegengebracht wurde. Meist wusste irgendein Erwachsener besser, was für mich gerade richtig war und diesem Weg habe ich mich einfach gefügt.
Doch anstatt mich nach dieser Erkenntnis dem Schmerz darüber zu widmen, stürzte ich mich in Aktion und wollte alles über das Freilernen herausfinden. Denn für mich war klar: So wie mir sollte es MEINEN Kindern nicht ergehen! Ich tauchte ein in eine Welt voller Online-Kongresse.
Neue Entdeckungen
Auf diesem Weg kam ich in einer Facebookblase voller Freilerner, bindungs- und bedürfnisorientierter Eltern und Menschen, die von zuhause aus arbeiten wollten. Wer seinen Kindern ermöglichen möchte, kindergarten- oder schulfrei aufwachsen zu können, der braucht eine Erwerbsmöglichkeit von zuhause aus! Es tat gut, Geschichten zu hören von Menschen, die es anders machen und die schon mehr das Leben lebten, das ich mir zu dem Zeitpunkt auch wünschte.
Ich stieß auf einen Online-Kurs mit dem Titel „Mama goes business“ und buchte ihn. Vielleicht gab es ja doch etwas anderes als Lehrerin, das ich konnte.
Und ich entdeckte: Da ist sogar unendlich viel! Im Gegensatz zu vorher ging es nun endlich um meine Stärken und um Themen, mit denen ich es liebte mich zu beschäftigen und die meinen Werten entsprachen. Meine Ideen sprudelten nur so aus mir heraus und spürte zum ersten Mal wieder diese Kraft in mir, die ich mir für meinen Familienalltag wünschte.
Ich las viel Freilerner-Literatur, nahm an weiteren Onlinekongressen teil und tauschte mich mit Gleichgesinnten aus. Ich gründete meine eigene Community mit dem Ziel, die Partnerschaft in der Kleinkindphase lebendig zu halten. Ich träumte davon mein Geld online zu verdienen und nie wieder in der Schule zu arbeiten. In dieser Zeit habe ich auch zum ersten Mal davon gehört, dass es so etwas wie „passives Einkommen“ gibt – ein Konzept, das mich seitdem ebenfalls fasziniert.
„Nicht gut genug“
In der Zwischenzeit gab es weiter trial & error mit meinen Kindern. Ich war vielleicht kraftvoller, hatte aber nun ein schlechtes Gewissen, wenn ich an den Kindergarten dachte. Ich war voller sich widersprechender Vorstellungen von „richtig“ und „falsch“ und wollte es natürlich unbedingt „richtig“ machen. Ich war ja die Mama, und Mamas prägen ihre Kinder und das hieß ja, so wie ich meine Kinder präge, so präge ich die Zukunft….
Puh, wenn ich das schreibe, spüre ich noch richtig diesen Druck in mir, den ich mir damals gemacht habe und der auch manchmal noch durchkommt, wenn ich dem Anteil übermäßig Raum gebe, der mir erzählen will, dass ich als Mama nicht gut genug bin. Wenn dieser Gedanke aufkam, nahmen häufig Gefühle wie Wut, Hilflosigkeit und Traurigkeit überhand. Oft war ich in diesen Momenten unfair zu meinen Kindern, schimpfte und tobte, wenn etwas oder sie nicht „funktionierten“. Dabei war ich doch überzeugt davon, dass es wichtig war bedürfnisorientiert und auf Augenhöhe mit ihnen zu sein! Warum kriegte ich das nicht hin?? Das war so in etwa die Negativspirale, in der ich mich zu dem Zeitpunkt noch gedanklich befand.
Ich bin, was ich denke
Mehr als alles andere habe ich in den letzten vier Jahren gelernt, dass es essentiell ist, wie ich über mich selbst denke. Und dass ich ganz bewusst steuern kann, wie ich über mich denke und damit auch, wie ich mich fühle! Damit versetze ich mich wiederum in die Lage anders zu handeln und andere Entscheidungen zu treffen. Und das gibt meinem Leben eine ganz andere Wendung. Es macht mich zur Schöpferin meines Lebens. Es ist plötzlich glasklar, dass es keine Zufälle gibt. Das, was im Außen passiert, verändert sich automatisch, wenn ich meine inneren Überzeugungen verändere. Ich sehe im Außen das, was ich über mich und die Welt denke!
Die ersten Aha-Momente dazu hatte ich bei „Mama goes business“, viele weitere folgten in der Rise Up and Shine – Uni von Laura Seiler und im Austausch mit Menschen, die in die gleiche Richtung wollten wie ich: ein selbstbestimmtes Leben, in dem ich mich kraftvoll und frei fühle, weil ich in jeder Minute meines Lebens meinen Werten entsprechend handele und persönlich wachse.
So baute ich Routinen in meinen Tagesablauf ein, die mir bis heute helfen, bewusst meine Gedanken wahrzunehmen und sie zu verändern. Denn das ist ja eins der genialsten Tatsachen, dass wir so lange wir leben, dazulernen und uns weiterentwickeln können.
Vergeben statt strafen als wichtigste Haltung
Nach all diesen Erkenntnissen wollte ich es nun wirklich anders machen. Doch ich hatte immer noch diese Momente, in denen ich dachte: „Mann, Isi, das hättest Du jetzt aber schon besser hinkriegen können! Du weißt es doch besser!“
Ich kannte diesen inneren Dialog schon und er erinnerte mich sehr an die Vorstellung, dass durch Strafen und Schimpfen eine „Besserung“ des Verhaltens eintritt. Durch die Auseinandersetzung mit dem Wert der Gleichwürdigkeit war mir schon klar, dass Strafen und Schimpfen das Gegenteil erreichten: Durch Abwertung und Kleinmachen der Person wird sie von Außen betrachtet ruhiggestellt, innerlich passiert allerdings eine Abspaltung von sich selbst. Denn eigentlich wollen wir alle als Menschen für uns selbst und im großen Ganzen zu einem gelingenden Leben beitragen. Eine Strafe beruht auf der Vorstellung, dass Menschen von sich aus „unsozial“ sind und erst „geformt“ und „richtig“ gemacht werden müssen, damit sie sich so verhalten, dass es „passt“.
Für mich war klar, dass ich diese Vorstellung von mir selbst, die ich scheinbar immer noch in mir trug, loslassen musste. Vielleicht kennst Du das auch, wenn Du eine Erkenntnis hast und eigentlich schon weißt, wie es anders geht, und Du dann trotzdem nicht entsprechend dieser neuen Erkenntnis handelst. Das ist ganz normal, wenn wir uns verändern und wachsen! (Kleiner Reminder an dieser Stelle auch an mich! ;-))
Du darfst alles sein!
Und Du lässt diese Vorstellung los, in dem Du Dich immer wieder auf die unendlichen Möglichkeiten einlässt, die es für Dich und mich und uns alle gibt. Du kannst feststellen, dass Du gerade Mist gebaut hast, und Dich in dem Moment wieder entscheiden, anders mit Deinen Kindern umzugehen. Du kannst beobachten, dass Du Dich gerade für eine Handlung oder einen Gedanken verurteilst, und kannst Dir voller Mitgefühl und mit einem liebevollen inneren Dialog begegnen. Du kannst feststellen, dass Du Hilfe brauchst und dann über Dich schmunzeln, weil Du sie Dir immer noch nicht gegönnt hast – und wieder neu entscheiden.
„Scheiß drauf. Und lieb‘ Dich einfach.“
Dann entscheidest Du Dich für Dich.
Und ich wünsche Dir von Herzen, dass Du das immer wieder tust. Nicht erst „wenn die Kinder älter sind“ oder „wenn sie früher einschlafen“. Nein jetzt. Es ist wichtig, dass Du Dich jeden Tag für Dich entscheidest. Denn dann stehen auch Deine Kinder für sich ein und zeigen ihren lebendigen und kraftvollen Kern, den wir alle von Anfang haben.
Ich begleite Dich so gerne auf diesem Weg!! Meld Dich – und lieb‘ Dich einfach! 😉
Deine Isabelle